Blog-o-quest #37: No Gos – Oktober 2018
Diesen Monat habe ich es mal wieder geschafft, an einer Blog-o-quest teilzunehmen. Diesmal stammen die Fragen von jaegers.net, es dreht sich alles um das Thema “No Gos im Rollenspiel”.
Vorhang auf!
1. Gibt es Menschen, mit denen Du nicht gemeinsam an einem Spieltisch (egal ob physisch oder virtuell) sitzen möchtest? Welche sind das und wie gehst Du damit um? (Keine Namensnennung …)
Es gibt einige Menschen, mit denen ich meinen Spieltisch nicht teilen möchte. Zum einen sind das natürlich die Leute, die einfach einen anderen Spielstil pflegen als ich. Das können noch so nette Menschen sein (einen davon habe ich sogar geheiratet), aber wir werden gemeinsam einfach keinen Spaß haben.
Dann spiele ich sehr ungern mit Leuten, die Regeln extrem dogmatisch auslegen und meinen, ihre Interpretation sei die einzig wahre Auslegung. Natürlich haben Regeln ihren Sinn, aber in erster Linie gilt am Tisch die Freude am Spiel und nicht, wer wie gut das Regelwerk auswendig gelernt hat. Mein Highlight dahingehend war übrigens die Runde, in der mir erzählt wurde, wie die “Maske des Schamanen” auszusehen hatte, die in Shadowrun immer noch reiner Fluff ist.
Wen ich auch nicht gerne am Tisch habe, sind Spieler oder SLs, die den Rest der Gruppe umbügeln und ihr eigenes Ding durchziehen. Ist mir zum Glück noch nicht so häufig passiert, finde ich aber sehr unangenehm. Rollenspiel ist immer noch eine Gruppenaktivität, für alles andere kann man Kurzgeschichten oder Bücher schreiben. In solchen Fällen greift dann die Regel 0.
Abschließend haben an meinem Spieltisch intolerante und homo-/transphobe Menschen nichts verloren. Aber zum Glück ist mir so jemand bisher noch nicht begegnet, und ich würde mich nicht mit solchen Leuten an einen Tisch setzen.
2. Was geht für Dich am Spieltisch (out-game) nicht? Alkohol, fettige Pommes, lautstarkes Rülpsen oder Körperkontakt? Wie ist das vereinbart?
Alkohol muss nicht sein, vielleicht ein Gläschen Wein, wenn man sich in lockerer Runde zusammen gefunden hat. Aber definitiv nichts härteres. Gelallt werden sollte nur ingame. Fettiges Essen finde ich persönlich unangenehm, wenn es so richtig trieft und die Spieler dann damit eventuell Spielmaterial anfassen, das nicht ihnen gehört. Das muss nicht sein. Genauso möchte ich übrigens auch nicht sehen, wie Spieler sich nach dem Essen statt Hände waschen die Finger ablecken oder sich Essensreste aus den Zähnen pulen. Es gibt Badezimmer und Waschbecken.
Ich glaube, mit rülpsenden Menschen habe ich noch nie gespielt, aber es kann ja nun passieren, dass man mal aufstoßen muss. Sollte das Absicht sein oder zelebriert werden – das gilt auch für andere lautstarke Körperfunktionen – dann würde ich die Person wahrscheinlich höflich des Tischs verweisen.
Körperkontakt… das ist so eine Sache. Ich sehe keine Veranlassung dazu, seine Mitspieler in irgendeiner Form anzufassen, zumindest nicht bei einer reinen Pen and Paper-Runde (beim Larp/Lirp sieht das natürlich schon wieder anders aus), ich werde aber auch generell sehr ungerne angefasst. Aber wenn ich zum Beispiel mit meinem Mann in einer Runde spiele und wir sitzen gemütlich auf einer Couch, würde ich mich auch bei ihm ankuscheln. Was hingegen nicht geht, sind dann eher so Pärchen, die glauben, sie seien alleine auf der Welt und sich mehr mit sich beschäftigen als mit dem Spiel. Aber auch das hatte ich bisher zum Glück erst ein einziges Mal.
3. Was geht für Dich in-game nicht? Gibt es Tabus zu Themen oder Handlungen? Und wie kommunizierst Du das?
Ich brauche keine ausufernden Gewaltdarstellungen, sexuell oder sonstige (letztere gehen schonmal gar nicht, wenn es darum geht, in irgendeiner Form Haut von Extremitäten zu entfernen – da schüttelt es mich schon beim Schreiben) und besonders nicht, wenn sie nicht in irgendeiner Form relevant für die Handlung sind und einfach nur nochmal mit dem Holzhammer illustrieren sollen, wie böse™ die Welt ist. Abgesehen davon, die eigene Phantasie ist der beste Regisseur, und Andeutungen sind viel spannender als ausgedehnte Beschreibungen. Ich finde auch Filme, in denen Gewalt zelebriert wird, ziemlich doof (wenn jetzt nicht explizit Slasher draufsteht, sowas schaue ich mir aber auch selten an), weil ich immer das Gefühl habe, der Regisseur hält entweder die Zuschauer für zu doof, um Subtilität zu verstehen, oder er ist zu doof oder zu faul, sich etwas subtiles einfallen zu lassen.
Sex ist so eine Sache. Ich bin nicht prüde und habe sehr viele Runden gespielt, in denen Sex thematisiert wurde und wichtig war – aber ich muss ihn nicht ausspielen. Bisher reichte eigentlich die Aussage “Charakter A und B schlafen miteinander” + Kaminzoom, da brauchte es keine Details, außerdem siehe oben von wegen der Phantasie und dem Regisseur.
4. Wie reagierst Du, wenn ein Spieler sich in- oder out-game in deine persönliche No-Go-Area begibt, vielleicht sogar nachhaltig oder gezielt?
Puh, gute Frage. Zum Glück ist mir das beim Spielen erst ein einziges Mal passiert – auf einer Con, wo ich dann aber gleich meine Grenzen aufgezeigt habe und meinte, “ich mache das nicht” (zwei Mitspieler fanden die Idee unglaublich witzig, meinen Charakter in eine lesbische Sexszene zu quatschen, die einzig für ihr eigenes Amüsement gedacht war und auf die ich daher keine Lust hatte).
Aber ich spiele generell selten auf Cons (mal von DZ-Con oder Tanelorn-Treffen abgesehen), weil ich meine Mitspieler schlecht einschätzen kann und eine ganz bestimmte Art von Rollenspiel mag: dramaintensiv und charakterzentriert. Das kann ich am besten mit Menschen, die ich gut kenne oder bei denen ich gleich zu Anfang merke, dass ich mit ihnen auf einer Wellenlänge liege. (Ich habe mit einem mir bis fünf Minuten vor Spielbeginn unbekannten Spieler ein Liebespaar bei Monsterhearts gespielt, was sehr gut funktionierte, weil wir gleich einen Draht zueinander hatten).
Zurück zur Frage: Ich denke, ich würde dem Spieler recht eindeutig zu verstehen geben, dass er/sie meine Komfortzone verletzt, vermutlich in einem Vier-Augen-Gespräch. Wenn das nichts hilft, kann ich immer noch den Rückzug antreten oder mit dem Rest der Gruppe sprechen.
5. Als dezenter, die Immersion nicht störenden Hinweis auf das Überschreiten einer roten Linie wird gerne auf das Konzept der X-Card verwiesen. Nutzt Du dies? Wie sind Deine Erfahrungen damit, oder warum verwendest Du sie nicht?
Wir haben mal eine Monster of the Week-Runde online gespielt, wo sich nicht alle Spieler kannten (ich kannte zwei persönlich), und wo ein Neuling dabei war, der noch unter 18 war. Der SL hatte im Vorfeld gesagt, dass es auch bei Monster of the week Inhalte geben kann, die nicht jedem passen, und uns die die X-Card zur Verfügung gestellt. Wir haben sie nicht gebraucht, und ich hatte zu keiner Zeit den Eindruck, dass irgendjemand mit angezogener Handbremse gespielt hat – im Gegenteil, die Runde war definitiv eines meiner Highlights in diesem Jahr.
Das Argument, die Karte könnte dafür genutzt werden, um Inhalte zu “zensieren”, halte ich persönlich für Quatsch. Achtung, Mini-Rant incoming: Liebe SLs, wenn ihr ansonsten Angst habt, euer uberkrasser Grim ‘n Gritty-Plot geht nicht auf, dann überlegt euch doch vielleicht vorher, ob das wirklich das ist, was alle am Tisch wollen. Ist die Antwort “Nein”, dann schraubt das Level runter oder schreibt Bücher.
Bonusfrage(nkomplex): Auf einer zunehmenden Zahl an Veranstaltungen werden klare Regeln hinsichtlich des No-Gos von sexueller Belästigung und dem Umgang damit aufgestellt und propagiert. Wie ist Deine Meinung dazu, brauchen wir das explizit oder sollte das nicht in der Gesellschaft verankert sein? Ist das nur eine “modische” Folge des #meetoo-Hypes? Ist das im Rollenspielumfeld 2018 wirklich nötig? Fühlt ihr euch damit wirklich besser oder verkrampft das die Situation nur?
Natürlich sollte das eigentlich explizit in der Gesellschaft verankert sein. Sollte. Eigentlich. Das sind die zwei Stichwörter. Ich persönlich weiß, wo meine Grenzen sind, wann ich einen dummen Spruch auch einfach mal stehen lassen oder zurückgeben kann, aber – Zitat: “Du bist auch eine Frau Ende 30, du kannst dich abgrenzen. Aber überleg mal, wenn da so eine schüchterne 18jährige sitzt.”
Ich finde es nicht verkehrt, wenn man darauf achtet, wer am Spieltisch sitzt und vielleicht vorher fragt, ob es Inhalte gibt, bei denen sich Spieler unwohl fühlen. Alternativ kann man die X-Card einsetzen. Ich sehe darüber hinaus nicht wo das Problem ist, zu sagen, “Unser Con hat eine Anti-Harassment-Policy”. Es geht doch darum, dass alle sich wohlfühlen, und sollte das einmal nicht der Fall sein, ist es doch eine gute Sache, wenn man weiß, dass man sich an jemanden wenden kann, dem man sein Problem schildern kann. Ich gehe davon aus, dass vieles dann auch in einem klärenden Gespräch mit einem Mediator geklärt werden kann. Sollte das dann nicht der Fall sein, bzw. kommt es zu einer Häufung von Meldungen, darf unter Berufung auf die Policy dann auch gesagt werden “Auf unserem Con bitte nicht”.