Rollenspiel goes TV, pt. 2: More than a script for my reality

26. November 2013 Aus Von Niniane

Und weiter geht es bei Rollenspiel goes TV, diesmal mit einem eher jungen Format, das in seiner Qualität stark schwankt, aber dennoch viel Spaß machen kann: Die Doku-Soap. Ich rede hier allerdings von den Sendungen, die ihren Schwerpunkt eher auf „Doku“ als auf „Soap“ legen (unter anderem deswegen, weil ich solche Perlen der TV-Unterhaltung wie Berlin zu jeder Tageszeit noch nie gesehen habe – auch ich gucke mir nicht alles an).

Damit sind Serien gemeint, deren Inhalt zwar teilweise unter den Sammelbegriff „Scripted Reality“ fallen dürfte (legt mich da nicht fest, ich bin keine Medienwissenschaftlerin), aber deren Darsteller meistens doch „echte“ Menschen sind und keine Laiendarsteller, die hölzerne Dialoge in obskuren Geschichten zum Besten geben.

Das Angebot an Doku-Soaps im deutschen Fernsehen ist übrigens immens – ich habe Tante Wiki  zu diesem Thema befragt und war erstaunt, dass auch die Öffentlich-Rechtlichen solche Formate produziert haben. Das Themenspektrum ist ebenfalls sehr breit, theoretisch kann man sich vom Fernsehen Haus und Garten verschönern lassen, dann Leute zum Kochen einladen oder ein eigenes Restaurant aufmachen und wenn das in die Binsen geht, sich dazu beraten lassen, wie man von seinen Schulden wieder runterkommt oder alternativ nach Mallorca auswandert. Wieso sollte man zwischen perfekten Einsätzen im Garten des Restauranttesters nicht auch noch Doku-Soaps über, mit und für Rollenspieler zeigen?

Beginnen wir mit einer meiner Lieblingssendungen. Ich bin eine große Freundin des „Perfekten Dinners“ (werktags 19:00 auf VOX). Wer die Sendung nicht kennt, sei kurz darüber aufgeklärt: Fünf Menschen (wenn in der Woche ein bundeseinheitlicher Feiertag liegt, auch vier) aus einer Stadt/Region, die sich noch nie gesehen haben, bekochen sich reihum und bekommen von den anderen Gästen Punkte für Essen und Gastfreundlichkeit. Wer die meisten Punkte bekommen hat, bekommt Geld. Es gibt ab und an Specials (einer ist ein Koch, die Gäste übernachten beieinander, es darf nur gegrillt werden..), aber das ist im Großen und Ganzen das recht simple, aber unglaublich lustige Konzept dieser Sendung.

Übertragen aufs Rollenspiel ist das natürlich ganz einfach. Fünf Leute ergibt eine wunderbare Rollenspielrunde, und der Gastgeber muss nicht kochen (darf er oder sie natürlich, gibt mehr Punkte), sondern leiten. Das System wird nicht verraten, und die Gäste müssen hinterher die Leiterqualitäten, das Abenteuer (das natürlich selbst entworfen sein muss) und die Atmosphäre bewerten. Das Ganze wird dann launig kommentiert, der Sprecher des echten perfekten Dinners macht das immer mit einer sehr trockenen Art, aber natürlich könnte auch ein Rollenspieler seinen Senf dazu abgeben (das könnte allerdings schnell zu Stadionatmosphäre führen – „Und Maximilian spielt seinen Thorwaler jetzt richtig aus, er würfelt, würfelt er eine 20? Nein, es ist nur eine 2, und damit hat der Thorwaler seinen Wurf leider nicht geschafft, schade schade..“) Gewonnen hat natürlich der SL mit den meisten Punkten am Ende der Woche.

Die nächste Sendung dürfte eher für Entsetzen sorgen, aber nicht gleich weinen, sondern weiterlesen. Das Grundkonzept von Frauentausch (momentan donnerstags 21:15 auf RTL 2, danke an Glgnfz für diese Info) ist aber eigentlich prädestiniert fürs Rollenspiel. In der ursprünglichen Sendung besteht der Witz darin, dass zwei völlig unterschiedliche Mütter ihre Familie tauschen: Die Ökomama und die Grossstadtpflanze, die Punkmutti aus der WG mit der Reihenhausbesitzerin etc. pp. Beim Rollenspiel wird das ganze einfach auf eine Gruppe umgemünzt: Rollenspiel-Gruppen tauschen ihren SL. Da wird der Hardcore-Oldschooler zur Indiegruppe, die am liebsten Player Empowerment hat, geschickt, der Fantasy-Larper muss mit den Endzeitfreunden im Matsch kriechen und der Fateliebhaber tauscht mit einem Savage Worlds-SL. Das dürfte für einige Erheiterung sorgen, leider wahrscheinlich nur in Rollenspielerkreisen, aber witzig fände ich es allemal. Besonders auf Sprüche wie „Bei DSA ist das aber alles ganz anders“, wenn die DND-Regeln ausgepackt werden, wäre ich gespannt.  Natürlich dürfen auch die obligatorischen Videobotschaften von Tausch-SL an Tausch-SL fehlen („Also mit dem Trollspieler musst du aufpassen, der dreht gerne die Würfel“), und am Schluss treffen sich die beiden SLs und versichern sich, wie froh sie sind, endlich wieder ihre heimischen Nörgler bespaßen zu dürfen.

Wenn die Gruppe dann irgendwie nach dem Besuch des Neu-SL festgestellt hat, dass bei ihr die Luft raus ist, muss natürlich jemand kommen und das wieder gerade biegen. Coaching-TV boomt ja bekanntlich, und wenn Leuten am Bildschirm aus den Schulden, der unfertigen Wohnung und ihrem schlecht laufenden Restaurant geholfen werden kann, dann sollte das auch mit Rollenspiel funktionieren.  Ein erfahrener SL und Rollenspielautor wird von einer Gruppe eingeladen und lässt sich zunächst die Probleme schildern, am besten in mit trauriger Musik unterlegten Einzelgesprächen („Ich würde doch so gerne eine Elfe spielen, aber immer muss ich den Troll geben..“ – „Ständig liegt er mir in den Ohren, dass er eine Elfe sein will, dabei sind die in diesem System gar nicht spielbar“) Der erfahrene SL und Rollenspielautor wird verständnisvoll nicken, sich Notizen machen (oder mit seiner Meinung nicht hinterm Berg halten, wer mal Rach und Konsorten gesehen hat, weiß, dass die Herren nicht unbedingt ein Blatt vor den Mund nehmen) und dann die Gruppe dazu bringen, miteinander zu reden und Dinge anders zu machen („Du solltest einfach mal aufhören, ständig die Würfel zu drehen, deine Mitspieler fänden das sicher super!“). Dann zieht er das Fazit und besucht die Gruppe nach ein paar Wochen noch einmal, um zu sehen, ob seine Tips angenommen wurden. Natürlich gibt es auch immer wieder Gruppen, bei denen das nicht funktioniert hat, aber alles andere wäre ja auch langweilig.

Ist dann der Gruppe doch der SL weggelaufen, braucht sie natürlich einen Neuen. Jaaa, ihr wisst schon, was jetzt kommt. Nach Coaching-TV geht’s zum Dating-TV aka „Bauer sucht Frau“ (montags, 21:15, RTL) Natürlich fehlt hier der romantische Subplot (hust), aber es dürfen sich bei den Gruppen dann jede Menge SLs bewerben, die eingeladen werden zum Probeleiten. Was nicht fehlen darf, sind auf jeden Fall die Adjektive, mit denen die Kandidaten belegt werden (vielen Dank an „Walulis sieht fern“): Der fröhliche Fate-SL Felix (in Wirklichkeit heißt er Klaus-Dieter, aber das passt nicht in die Alliteration) oder der wackere Warhammer-Spieler Willi suchen dann eine neue Gruppe bzw. einen SL. Zum Schluss entscheidet sich die Gruppe für einen SL, und in einer mit Geigenmusik unterlegten, mit Weichzeichner verfremdeten Sequenz sieht man die Frischverliebten äh Frischgefundenen dann über ihren Charakterblättern sitzen und würfeln.

Aber es kann ja noch weitergehen. In den diversen Doku-Soaps zum Thema „Mir hat keiner gesagt, dass man in den USA ausländisch spricht“, also den Auswanderersoaps, kann das Kamerateam Rollenspieler bei ihrer Suche nach einer Gruppe in der neuen Heimat begleiten. Dabei gilt es natürlich nicht nur Sprachschwierigkeiten („In Germany, we played The Black Eye.. hey, why are you laughing at me?“), sondern auch kulturelle Eigenheiten zu bedenken, was von lustig bis ganz häufig sehr peinlich reicht.

Ich könnte jetzt stundenlang weitermachen, aber man soll ja bekanntlich aufhören, wenn es am Schönsten ist. Deswegen hoffe ich, ihr wurdet gut unterhalten und verabschiede mich mit einem „Schalten Sie auch das nächste Mal wieder ein, wenn es heißt: Rollenspiel goes TV – Soap Operas“